Das Universum schlägt zurück

Jetzt ist Öko-Bashing angesagt

Der Ökolandbau ist eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte. Gehen wir mal von den 1970er Jahren aus. Die Anzahl der Ökobetriebe konnte man an der Hand abzählen. Der Anteil an der gesamten Landwirtschaft bewegte sich im Promillebereich. Die Motivation der ersten Generation und Pioniere des Ökolandbaus waren die Unabhängigkeit von der Agrarindustrie und die umweltschonende Produktion von gesunden Lebensmitteln ohne Agrochemie.

Durch die zunehmende Akzeptanz und Honorierung der Leistungen der Ökobetriebe durch die Verbraucherinnen und Verbraucher hat sich der Ökolandbau langsam aber stetig entwickelt. Seitdem hat sich der Anteil der ökologisch wirtschaftenden Betriebe Jahr für Jahr erhöht auf inzwischen bundesweit rund 2. Mio. ha, was einem Anteil von etwa 11% entspricht.

 

Im Zuge dieser Entwicklung hat der Ökolandbau, quasi als außerparlamentarische Opposition, eine gewaltige politische und gesellschaftliche Wirkung entfaltet. Er hat bewiesen, dass die Produktion von gesunden Lebensmitteln auch ohne den Einsatz von giftigen Pflanzenschutzmitteln und synthetischen Düngemitteln möglich ist. Er hat auch bewiesen, dass eine Landwirtschaft möglich ist, die Ressourcen schont und Umweltprobleme löst, indem sie z.B. Artenvielfalt fördert oder Nitrat im Grundwasser verhindert. Er hat auch einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, Gentechnik in der Landwirtschaft und damit in Lebensmittel (bisher) zu verhindern. Sowohl politisch als auch gesellschaftlich sind die Leistungen des Ökolandbaus allgemein anerkannt, weshalb auch in verschiedenen Strategieplänen für die Landwirtschaft von EU über Bund und die Länder der Ausbau des Ökolandbaus gefordert wird. Der Ökolandbau hat so auch einen enormen Druck auf die konventionelle Landwirtschaft und die Landwirtschaftspolitik ausgeübt, um Veränderungen zu mehr Nachhaltigkeit herbeizuführen. Damit hat sich der Ökolandbau aber nicht nur Freunde, sondern auch Feinde gemacht, sowohl in der Politik als auch in der mächtigen Agrarindustrie.

Da ist es den Gegnern des Ökolandbaus nur recht, dass dieser derzeit wirtschaftlich „schwächelt“. Er schwächelt deshalb, weil die galoppierende Inflation die Menschen zum Sparen zwingt. Und man kann natürlich billiger satt werden als von Ökolebensmitteln. Deshalb geht aktuell der Absatz von Ökolebensmitteln zurück. Eine Situation, die die Branche bisher nicht kannte und die daher auch bei einigen zu existenziellen Problemen führt. Nicht vergessen darf man dabei allerdings, dass insbesondere in der Coronapandemie die Nachfrage nach Ökolebensmitteln extrem stark gestiegen ist. Was wir jetzt erleben ist kein Einbruch der Nachfrage, sondern ein Zurück zu „normalen“ Wachstumsraten.
Von Gegnern wird diese vermeintliche Schwäche jetzt als Gunst der Stunde genutzt und entsprechend auf den Ökolandbau eingeprügelt, sowohl medial als auch von entsprechender Lobbyseite.

Es ist sicher kein Zufall, dass zeitgleich von „wissenschaftlicher Seite“ die Nachhaltigkeit des Ökolandbaus angezweifelt wird. Argumentiert wird auch mit der fehlenden wirtschaftlichen Nachhaltigkeit angesichts der aktuellen Situation. Doch warum ist denn die Konventionelle Landwirtschaft wirtschaftlich im Vorteil? Weil ihre Folgeschäden nicht von ihr, sondern von der Allgemeinheit bezahlt werden müssen. Das Entfernen von Nitrat aus dem Grundwasser zahlen die Verbraucher*innen über den Preis des Trinkwassers, die Kosten für den Verlust der Artenvielfalt zahlen wir alle durch zunehmend instabile Ökosysteme und und und….
Dadurch relativiert sich die wirtschaftliche Vorzüglichkeit der konventionellen Landwirtschaft ganz schnell. Und wenn diese Folgekosten in die Produkte eingepreist wären, wäre auch der Preisunterschied zwischen konventionellen und Bio-Lebensmitteln ganz schnell dahin.

Und wie steht es mit der ökologischen Nachhaltigkeit? Ganz aktuell hat eine europaweite Studie den Rückgang von 170 häufig vorkommenden Vogelarten an 20.000 Standorten nachgewiesen. Demnach ist seit 1980 die Anzahl der Vögel um 28% gesunken. Besonders stark ist der Rückgang der Vögel, die in Agrarlandschaften leben – deren Bestand sank um über 50%. Mehr als die Hälfte der Vögel sind seit 1980 in Agrarlandschaften also verschwunden! Dabei wurde die Intensivierung der Landwirtschaft als Hauptgrund nachgewiesen.

Es ist völlig legitim, dass versucht wird öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Aber gerade deshalb muss dies auch eindeutig als Lobbyismus benannt werden. Der Ökolandbau hat keine wirtschaftliche Lobby. Keine global agierenden Konzerne, nicht einmal national bedeutende Unternehmen. Was auch gut und gewollt ist. Er entfaltet seine Wirkung vor allem regional, und er kann vor allem mit seinen Werten „lobbyieren". Besonders verwerflich ist es daher, wenn politische Mandatsträger sich zur Speerspitze gegen die ökologische Landwirtschaft machen, wie dies der Landwirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt Sven Schulze derzeit tut. Geradezu scheinheilig ist es, wenn er der Bundesregierung eine einseitige Förderung des Ökolandbaus vorwirft und Gleichbehandlung fordert. Gerne Herr Schulze. Da nehme ich Sie beim Wort. Der Ökolandbau hat bundesweit inzwischen einen Anteil von rund 11%. Gleichbehandlung bedeutet dann bitte schön 11% des Forschungsetats für ÖL, 11% des Personals öffentlicher Stellen innerhalb der Landwirtschaft für Ökolandbau, 11% der Ausbildung an Berufsschulen, Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten für Ökolandbau. Das wäre Gleichbehandlung. Doch davon sind wir meilenweit entfernt.

Traurig und einem Ministeramt unwürdig, wenn ein Landwirtschaftsminister derart mit Scheuklappen unterwegs ist und sein persönliches Feindbild zum politischen Inhalt macht. In Zeiten, in denen Umweltprobleme, für die auch die Landwirtschaft verantwortlich ist wie z.B. der dramatische Verlust der Diversität, ist dies an politischer Verantwortungslosigkeit schwer zu überbieten.