Tatsache oder Mythos?
Kaum eine Klimadiskussion, in der nicht die Kuh als ein wesentlicher Klimakiller gebrandmarkt würde. Die Kuh ist ein, bzw. richtigerweise eine Wiederkäuerin. Als solche kann sie Gras und allerlei Grünzeug im Pansen mit Hilfe von Bakterien verdauen, wobei Methan entsteht, das ihr entweicht. Genau genommen produziert nicht die Kuh das Methan, sondern die Bakterien, genauso wie in einer Biogas-Anlage. Pro Kuh sind dies im Jahresdurchschnitt mehr als 100 l Methan pro Tag. Und Methan ist in etwa 21 x klimaschädlicher als CO². So weit so ungut. Aber macht das die Kuh wirklich zur Klimakillerin?
Kuh ist nicht gleich Kuh
Die Kuh als solche gibt es nicht. Um die Klimawirkung von Kühen zu beurteilen, muss man schon genauer hinschauen. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Frage, womit die Kuh gefüttert wird. Es macht einen himmelweiten Unterschied, ob die Kuh mit Soja (deretwegen vielleicht gar noch Regenwald abgeholzt wurde) aus Argentinien oder mit Klee und Luzerne oder gar Grünland vor der Stalltür gefüttert wurde. Der Vergleich beider Kühe ist nicht nur wie Äpfel mit Birnen vergleichen, sondern wie Äpfel mit….. sagen wir Soja.
Öko-Kühe werden oft als besonders klimaschädlich dargestellt. Dahinter steckt eine einfache Milchmädchenrechnung. Eine konventionelle Kuh, die vielleicht 12.000 Liter Milch pro Jahr gibt,
produziert pro Liter Milch weniger Methan als eine Bio-Kuh, die im Jahr vielleicht „nur“ 7.000 Liter Milch gibt. Ergo wird je Liter Milch in der Bio-Landwirtschaft wesentlich mehr Methan
produziert als in der konventionellen Landwirtschaft. Ergo ist Ökolandbau klimaschädlicher als konventionelle Landwirtschaft. Eine Schlussfolgerung daraus ist dann, man müsse die Leistung je Kuh
nur noch mehr steigern, dann verbessert sich auch ihre Klimabilanz.
So einfach kann man es sich machen. Doch die einfache „Abgasuntersuchung“ greift zu kurz. Auch hier lohnt sich ein genauerer Blick. Bei dieser Rechnung werden nämlich Emissionen aus Futtermittelimporten, Produktion von Mineraldüngern und Pestiziden, Energieeinsatz und andere externe Inputs nicht berücksichtigt – ein Schelm wer böses dabei denkt.
Züchterisch wurde die Milchleistung von Kühen in den letzten Jahrzehnten erheblich gesteigert. In Nordrhein-Westfalen hat sich die Anzahl der Milchkühe von 1993 bis 2013 halbiert. Diese gaben aber im Jahr 2013 insgesamt mehr Milch als doppelt so viele Kühe 1993! Dieser Zuwachs basiert allerdings im Wesentlichen auf höheren Kraftfuttergaben. Denn die Menge, die eine Kuh an Gras oder Heu pro Tag verarbeiten kann, hat sich in diesen 20 Jahren kaum verändert. Ein Gewinn für das Klima wäre es allerdings nur, wenn Kühe mehr Milch aus Gras oder Heu geben könnten. Das zur Hochleistung nötige Kraftfutter befeuert hingegen den Klimawandel.
Öko-Kühe fressen vor allem Grünfutter vom eigenen Hof und Importsoja aus Übersee schon mal gar nicht. Bezogen auf die bewirtschaftete Fläche verbrauchen Ökobetriebe etwa nur die Hälfte an Energie, und Energie ist nun mal Klimakiller Nummer eins. Ökolandbau fördert zudem den Humusaufbau und damit die CO²-Bindungsfähigkeit der Böden. Ökologisch bewirtschaftete Böden gelten daher als CO²-Senken, während aus konventionell bewirtschafteten Böden mit zunehmender Intensität der Bewirtschaftung CO² und vor allem Lachgas (N²O) emittieren, in erster Linie aufgrund der Anwendung von Mineraldüngern. Je größer der Stickstoffüberschuss desto höher sind die Lachgasemissionen. Lachgas (N²O) wiederum ist rund 300 mal klimaschädlicher als CO² und gilt als der größte klimaschädliche Faktor in der Landwirtschaft.
Wichtig ist auch ein direkter Blick auf das Futter. Häufig wird als Argument gegen Rinder angeführt, sie seien im Vergleich zu Hühnern oder Schweinen schlechte Futterverwerter, würden also aus einer Energieeinheit Futter weniger Energieeinheiten als Milch oder Fleisch produzieren. Na ja, wenn man konzentriertes Futter wie Mais, anderes Getreide oder Soja heranzieht, stimmt das auch. Unterschlagen wird dabei aber, dass Rinder vor allem Gras, Klee oder Heu fressen. Hühner, Schweine und auch der Mensch können daraus praktisch keinerlei Energie gewinnen, da sie Zellulose nicht verdauen können. Rinder können also Pflanzen verdauen und damit auch Flächen wie Wiesen und Weiden nutzen, die für Huhn, Schwein und Mensch zumindest ernährungsphysiologisch völlig wertlos sind.
Während Rinder aus Gras also Lebensmittel machen, würden Hühner und Schweine bei reiner Grasfütterung praktisch verhungern. Im Gegensatz zu Huhn und Schwein sind Rinder damit keine
Nahrungskonkurrenten zum Menschen. Wer also von Rindfleisch von extensiv gehaltenen Rindern auf Schwein oder Geflügel ausweicht, erweist nicht nur dem Klima einen Bärendienst, sondern sorgt auch
dafür, dass immer mehr Futter in Tröge gelangt, dass auch der menschlichen Ernährung hätte dienen können. Beim Klimavergleich zwischen Rind, Huhn und Schwein wird auch nicht berücksichtigt,
dass Hühner- und Schweineställe geheizt oder gekühlt werden müssen, während Rinder in Außenklimaställen bzw. im Freien gehalten werden.
Massenweise Fleischkonsum beugt der Ökolandbau übrigens dadurch vor, dass nur so viele Tiere gehalten werden dürfen, wie von der Fläche ernährt werden können. Diese Flächenbindung der Tierhaltung ist der Schlüssel zur Lösung zahlreicher Probleme in der Landwirtschaft, von der Überdüngung bis hin zur Abholzung des Regenwalds.
Und siehe da, werden all diese Faktoren berücksichtigt, ist der Ökolandbau der konventionellen und auch die Ökokuh ihrem konventionellen Pendant klimatechnisch nicht nur überlegen, sondern nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Und dabei werden so lapidare Dinge wie Gewässer- und Grundwasserschutz oder Artenvielfalt noch nicht einmal berücksichtigt.
Fazit: Klimasünder Nummer 1 ist und bleibt der Mensch. Das Problem anderen (z.B. Kühen) in die Klauen zu schieben ist ein Ablenkungsmanöver, das vielleicht nicht ganz leicht, aber doch zu durchschauen ist. Die Kuh kann, wenn richtig und in Maßen gehalten und ernährt, nicht nur wertvolle Lebensmittel produzieren aus Grünzeug, das für die menschliche Ernährung wertlos ist, sondern sogar zum Klimaschutz beitragen dadurch, dass auf den Futterflächen Humus angereichert und damit CO² gebunden wird.