Seit einigen Wochen machen Grüne Kreuze, von Landwirten aufgestellt, an Feld- und Wegesrändern darauf aufmerksam, dass immer mehr Höfe in Deutschland für immer ihr Hoftor schließen und aufgeben. Anlaß dafür gab das von Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium verabschiedete „Aktionsprogramm Insektenschutz“. Viele Landwirte befürchten dadurch massive Erschwernisse in der Produktion, sowohl auf dem Acker als auch im Stall. Es ist davon die Rede, dass Flächen angeblich wertlos werden, die Lebensmittelversorgung gefährdet wird und Nahrungsmittel zukünftig aus dem Ausland importiert werden müssen.
Ist diese Angst berechtigt oder ist das populistische Panikmache?
Wird dieser Protest dem Anlaß überhaupt gerecht oder werden hier nicht vielleicht Ursache und Wirkung verwechselt?
Bereits 1992 (!) hat die UN (auch mit der Stimme Deutschlands) ein Abkommen zum Erhalt der biologischen Vielfalt beschlossen. Die unterzeichnenden Staaten haben sich darin verpflichtet, nationale Strategien zum Schutz der biologischen Vielfalt zu erarbeiten. Deutschland hat diese Hausaufgabe 2007 mit der Nationalen Strategie zu biologischen Vielfalt vermeintlich erfüllt. Seitdem hat sich das Artensterben jedoch dramatisch beschleunigt. Alleine dadurch wird deutlich, dass es andere Mittel braucht als bisher, um das Artensterben aufzuhalten.
Worum geht es nun in dem „Aktionsprogramm Insektenschutz – Gemeinsam wirksam gegen das Insektensterben“?
Zunächst einmal wird der Nutzen von Insekten für intakte Ökosysteme aber auch für die Landwirtschaft (Stichwort Bestäuberleistung) anerkannt und der zunehmende Verlust der Artenvielfalt, allen voran der Insektenvielfalt festgestellt. Diese Tatsachen werden wohl nur Verschwörungstheoretiker abstreiten. Das Aktionsprogramm soll dieser Entwicklung mit konkreten Maßnahmen entgegen wirken. Hierzu zählen mehr Forschung, die Wiederherstellung wichtiger Lebensräume, die Reduktion von „Staubsaugereffekten“ durch Licht aber auch die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (u.a. ein Verbot von Glyphosat 2023), sowie konkrete Verordnungen im Naturschutz-, Pflanzenschutz-, sowie Dünge- und Wasserrecht. Viele dieser Punkte tangieren natürlich die Landwirtschaft, da diese durch die Form der Landnutzung auch wesentlich in die Lebensräume von Insekten eingreift.
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass das Grundwasser in Deutschland zu hoch mit Nitrat belastet und die Landwirtschaft dafür verantwortlich ist. Von bedarfsgerechter Düngung kann daher keine Rede sein. Vielmehr wird in vielen Regionen deutlich mehr gedüngt als die Pflanzen aufnehmen können, allen voran in Gebieten mit einer extrem hohen Tierbesatzdichte, weil einfach viel mehr Gülle anfällt als die Pflanzen aufnehmen können. Dagegen getan wurde über viele Jahre hingegen – nichts! Jetzt ist das Geschrei groß, weil hohe Strafzahlungen der EU ins Haus stehen, wenn nicht deutlich sichtbar gegen gesteuert wird. Tatsächlich gibt es an den eilig gezimmerten Maßnahmen einiges zu kritisieren, hierin aber einen Sargnagel für die Landwirtschaft zu sehen, hieße jahrzehntelange Fehlentwicklungen zu ignorieren.
Ähnlich sieht es beim Insektenschutz aus. Dafür braucht es kein Ökologiestudium, um den Zusammenhang zwischen einer über Jahrzehnte stattfindenden Ausräumung der Landschaft, dem massiven Rückgang an Feldkulturen, dem Verschwinden von Feldgehölzen und Saumbereichen sowie dem stetig gestiegenen Einsatz von Pflanzenschutzmittel einerseits und dem Rückgang der Artenvielfalt insgesamt und insbesondere der Insekten andererseits zu erkennen. Sicher ist die Landwirtschaft nicht alleine dafür verantwortlich, aber wenn die Artenvielfalt bei Vögeln und Insekten inzwischen in Städten größer ist als auf dem Land, dann läuft irgendetwas gründlich schief.
Ziele der im Aktionsprogramm genannten Maßnahmen sind nun nichts geringeres als der Erhalt der Artenvielfalt sowie die Steigerung der Insekten-Biomasse.
Dies wird ganz sicher nicht gelingen, wenn, wie vom Bauernverband gefordert, nur auf freiwilligen Insektenschutz mittels finanzieller Anreize gesetzt wird. Ohne ordnungsrechtliche Einschränkungen wird es daher nicht gehen..
Forderungen der Grüne Kreuze-Bauern sind:
-Fruchtbare Böden statt Beton
-Gesunde statt Kranke Pflanzen
-Düngen nach Bedarf statt nach Frist
-Heimische Lebensmittel statt Fleisch aus Übersee
-Tiere auf Bauernhöfen (und artgerechte Haltung der Tiere)
Alles richtig, aber hat nicht gerade der Lobbyismus der (konventionellen) Bauern in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass Wunsch und Wirklichkeit massiv auseinander klaffen. Wer auf eine exportorientierte Landwirtschaft setzt und z.B. Milchpulver nach China exportieren will, darf sich über Fleischimporte aus Argentinien nicht beschweren.
Wem Regionalität als Wert und nicht nur als Marketinginstrument wichtig ist, muss auch anderen Ländern und Regionen regionale Wertschöpfung zugestehen und darf nicht z.B. afrikanische Geflügelmärkte durch den Export billiger Hähnchenteile zerstören.
Agrarlobby und Agrarindustrie haben über Jahrzehnte das Wachsen oder Weichen befeuert. Wenn die Betrieb jetzt auf die Barrikaden gehen, sollten sie als ersten Adressaten ihre Interessensvertretung wählen, nicht Politik und Gesellschaft.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes ging im Kampf gegen das Aktionsprogramm sogar soweit, dass er in einer Presserklärung einen massiven Wertverlust der landwirtschaftlichen Flächen
prognostiziert, wenn z.B. in bestimmten besonders schutzwürdigen Gebieten keine Pflanzenschutzmittel mehr ausgebracht werden dürfen. Ja, geht´s noch?
Wenn man dieser Logik folgt, dürften Wiesen und Äcker, die biologisch bewirtschaftet werden ja deutlich billiger sein als konventionell bewirtschaftete Flächen. Am Bodenmarkt ist davon allerdings
nichts zu spüren. Vielmehr dürfte der Wert biologisch bewirtschafteter Flächen sogar höher liegen, da sie aufgrund der besseren Bodenfruchtbarkeit eine höhere natürliche Ertragsfähigkeit haben.
Das haben gerade die beiden zurückliegenden extrem trockenen Jahre gezeigt. Die Ertragsrückgänge fielen auf biologisch bewirtschafteten Flächen geringer aus als auf benachbarten konventionell bewirtschafteten Flächen. Darüber sollte sich der Bauernpräsident vielleicht mal Gedanken machen anstatt die
immergleichen und längst überholten Forderungen zu wiederholen und das Höfesterben damit weiter zu befeuern.
Ja, es stimmt. Das Höfesterben hält unvermindert an und die Gründe hierfür sind vielfältig. Für den Beruf als Landwirt entscheidet man sich nicht mit dem Kopf, sondern mit Bauch und Herz. Zu gering der Verdienst und zu lange die Arbeitszeiten. Beides Gründe, warum der Nachwuchs fehlt und viele Höfe schlichtweg keine Nachfolger finden. Erfreulicherweise gibt es inzwischen auch bei jungen Menschen wieder Interesse für die Landwirtschaft. Diese wollen aber nicht bestehende Strukturen weiter führen, sondern etwas neues, eigenes machen. Und dafür fehlen dann in der Regel Kapital und vor allem Land. Denn gerade auf das Land haben es Investoren und bestehende Großbetriebe abgesehen und machen eine Entwicklung abseits von Wachsen oder Weichen zunichte. Als Sargnagel kommt dann noch eine aus dem Ruder gelaufene Bürokratie hinzu, so dass Landwirte inzwischen mehr Zeit mit Anträgen und Dokumentation im Büro verbringen als auf dem Acker oder im Stall.
Insektenschutz durch die Landwirtschaft hingegen dürfte eher dem Höfesterben entgegen wirken. Schließlich führt das zu gesellschaftlicher Anerkennung. Und die kann durchaus motivieren und sogar Mindereinkommen kompensieren.