Der Industrieverband Agrar klärt auf
Was passiert, wenn auf Pflanzenschutz verzichtet wird?
Darüber möchte der Industrieverband Agrar die Verbraucher/-innen ganz praxisnah aufklären und zeigen, wie wichtige Pflanzenschutz für gesunde Kulturpflanzen ist, denn Zitat: „ Unkräuter, Schädlinge und Krankheiten sorgen dafür, dass es nicht viel zu ernten gibt, wenn man sie nicht bekämpft“. Hierzu hat der Verband erstmalig 2015 die Aktion „Schau ins Feld“ ins Leben gerufen, zu der er auch jetzt wieder aufruft. Dabei fordert der Verband Landwirte dazu auf, an Feldrändern entlang von stark frequentierten Straßen oder Wegen keinerlei Pflanzenschutzmaßnahmen durchzuführen. Auf der unbehandelten Fläche ist laut Verband bald nur noch wucherndes Unkraut über verkümmerten oder verfaulten Pflanzen zu sehen. Dazu verteilt der Verband kostenlos Schilder an die teilnehmenden Landwirte, um auf die Aktion und die dringende Notwendigkeit der Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel hinzuweisen, denn „Der Nutzen des modernen Pflanzenschutzes erschließt sich auf den ersten Blick“. Vorbei kommende Fußgänger oder Radfahrer sollen durch die Ansicht der „unkrautwuchernden Schau-Fenster“ von der Notwendigkeit des chemischen Pflanzenschutzes überzeugt werden. Obendrein werden die engagiertesten Landwirte als „Pflanzenschützer des Jahres“ geehrt und erhalten einen Gratis-Besuch der Grünen Woche.
Ist das nicht endlich einmal eine preisverdächtige, weil vorbildliche, seriöse und fachlich fundierte Form der Verbraucheraufklärung oder ist das eher eine besonders dreiste Form von Lobbyismus und Verbraucherverdummung?
Ich tendiere ja eher zu letzterem.
Beispiel Pilzkrankheiten:
In der Regel werden auf konventionell wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieben nicht mehr als 4, manchmal auch nur 3 Kulturen angebaut. Mit Weizen, Raps, Mais und Zuckerrüben ist das
Anbauspektrum häufig schon erschöpft. Die meisten pilzlichen Schaderreger überdauern im Boden und befallen von dort aus die Pflanzen. Wenn dann fast nur Kulturen angebaut werden, die zum
Wirtskreis bestimmter Pilze gehören, reichern sich diese im Boden an und befallen folglich auch immer die Kulturpflanzen. Fusarien besiedeln z.B. sämtliche Getreidearten und auch Mais. In solch
engen Fruchtfolgen müssen Fusarien daher auch chemisch bekämpft werden, um einen massiven Krankheitsbefall zu verhindern. Häufig wird der Befall noch durch weitere „konventionelle“ Maßnahmen
verstärkt. Getreide wird in der Regel z.B. durch Halmverkürzer „kurz gespritzt“. Dadurch sollen die Halme stabiler werden und die schwere Ähre mit den Körnern besser tragen und nicht umknicken.
Außerdem erleichtert dies die Ernte, weil nicht so viel unnützes Stroh durch den Mähdrescher gejagt werden muss. Der Haken dabei ist aber, dass durch den kürzeren Abstand der Ähre zum Boden diese
auch leichter durch Pilze infiziert werden kann, die sich wiederum im Mikroklima der dichten Bestände sehr gut ausbreiten. In der Folge müssen nicht nur der Halm, sondern auch später die Ähre mit
Fungiziden behandelt werden, um einen Pilzbefall zu bekämpfen.
Es ginge auch anders: mehr Kulturen in einer Fruchtfolge und längere Anbaupausen von Kulturen, die zum Wirtspflanzenkreis von Fusarien gehören. Dazu beugen weniger dichte Bestände mit mehr
Luftzirkulation und längere Halme einer Ähreninfektion vor.
Beispiel Unkräuter:
Die enge Fruchtfolge mit wenigen Kulturen hat zur Folge, dass sich Unkräuter an diese Fruchtfolge anpassen und sich diese besonders stark ausbreiten, denen dieses System in ihrer Entwicklung entgegen kommt. So etabliert sich je nach Anbausystem eine bestimmte Unkrautvegetation. In engen Getreidefruchtfolgen werden beispielsweise schnell bestimmte Gräser zu Problemunkräutern. Sie profitieren von den immer gleichen Aussaat- und Erntezeiten und der einseitigen Bodenbearbeitung und breiten sich entsprechend aus. In Schach zu halten sind sie dann nur durch den Einsatz entsprechend wirksamer Herbizide. Doch nach und nach stellen sich Resistenzen gegen diese Herbizide ein, so dass die Dosis zunächst erhöht werden muss bzw. irgendwann gar nichts mehr hilft. Windhalm und Ackerfuchsschwanz sind zwei solche Gräser, die inzwischen hoch resistent gegen Herbizide sind und sich in konventionellen Fruchtfolgen massiv ausbreiten. Ein Blick in einschlägige Foren ratloser Landwirte spricht Bände.
Lieber Industrieverband Agrar, sieht so moderner Pflanzenschutz aus?
Was passiert nun, wenn in einem solchen System auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet wird?
Genau das, was der Industrieverband trefflich beschreibt: Unkräuter überwuchern die Pflanzen und Pilzkrankheiten breiten sich aus. Als Lösung des Problems fällt dem Verband aber nur die chemische
Keule ein. Entweder wurde das Wissen aus dem Hauptstudium der Agrarwissenschaften Pflanzenbau schon vergessen oder die Empfehlung erfolgt wider besseren Wissens und entlarvt sich damit als reiner
Lobbyismus aus der untersten Schublade.
Das Urteil hierzu kann sich jede/r selber bilden.