Sag mir, wo die Vögel sind

Ornithologen schlagen Alarm. Die Artenvielfalt, insbesondere bei den Feldvögeln, nimmt dramatisch ab, wie der jüngste Brutvogelatlas belegt. Seit 1980 verschwanden in Deutschland mehr als die Hälfte der Wiesenvögel. In vielen Agrarlandschaften sind einst typische Arten wie Rebhuhn, Feldlerche oder Kiebitz nicht mehr zu finden.

Die Intensivierung der Landwirtschaft ist die Hauptursache für den Artenrückgang bei den Vögeln. Durch Entwässerung und Umbruch von Grünland gehen wichtige Lebensräume verloren, ebenfalls durch immer weniger werdende Kulturen und engere Fruchtfolgen auf dem Acker.

 

Der wichtigste Grund aber ist der Einsatz von Pestiziden, wodurch die Nahrungsgrundlage der Vögel vernichtet wird.

Fehlende Nahrungsgrundlage für Vögel

Dies beginnt mit dem Einsatz von Herbiziden und hierbei vor allem durch die stark zugenommene Verwendung von Totalherbiziden wie Glyphosat. In der Folge nimmt die Anzahl der Blühpflanzen in der Agrarlandschaft deutlich ab. Schon alleine dies führt wiederum dazu, dass die Zahl der Insekten sinkt, da ihnen die Nahrungsgrundlage fehlt.

 

Hinzu kommt die Verwendung von Insektiziden. Die bekanntesten und inzwischen weltweit am häufigsten verwendeten Insektizide sind die Neonicotinoide.

 

Sie werden überwiegend bereits zur Saatgubeizung eingesetzt und bleiben lange in den Pflanzen wirksam, so dass sie systemisch (über die Aufnahme von Pflanzensaft) auf saugende, aber auch Pollen sammelnde Insekten wirken. Neonicotinoide wirken schon in sehr geringer  Konzentration akut toxisch und führen damit zum Tod von Insekten, und selbst in geringsten Konzentrationen wird die Vermehrungsrate von Insekten deutlich reduziert.  

 

 

 

Neonicotinoide für Bienensterben in den 2000er Jahren verantwortlich

In der Folge des Bienensterbens, das in den 2000er Jahren im Rheintal beobachtet wurde und nachweislich auf Neonicotinoide zurück geführt werden konnte, wurde 2013 der Einsatz von Neonicotinoiden zwar für manche Einsatzgebiete verboten, Kontrollen bezüglich der Einhaltung finden hingegen kaum statt.
Im konventionellen Obstbau ist der Einsatz von Neonicotinoiden hingegen nach wie vor erlaubt und die Regel. So z.B. auch im Obshof am Süßen See, wie der Betriebsleiter berichtet, der zur Anwendung auch keine Alternative und in der Anwendung von  auch kein Problem sieht, wie er in einem Interview des mdr offen erklärt.

 

In den letzten 25 Jahren hat die Masse der Insekten um bis zu 80 % abgenommen. Dies hat der entomologische Verein Krefeld durch Sammlung, Bestimmen und Wiegen im Zeitraum von 1989-2014 ermittelt.

 

In der Folge der Anwendung von Herbiziden und Insektiziden und der damit verbundenen stark sinkenden Anzahl der Insekten fehlt den Feldvögeln schlicht und einfach die Nahrungsgrundlage. Dies trifft vor allem Bodenbrüter wie Feldlerche, Rebhuhn oder Neuntöter, die auf Insekten in Bodennähe zum Aufziehen ihrer Jungvögel angewiesen sind.

 

In der Folge sinkt die Zahl der Vögel dieser Arten dramatisch. Auch die Bestände von Raubvögel wie dem Rotmilan nehmen ab. Der Grund ist ebenfalls das zurückgehende Nahrungsangebot durch eingeengte Fruchtfolgen, wodurch es Zeiträume gibt, in denen praktisch keine für den Milan bejagbare Flächen mehr zur Verfügung stehen.

Hinzu kommt die Praxis vieler Landwirte bis unmittelbar zum Feldweg zu ackern, wodurch auch noch der letzte verbliebene Grünstreifen verschwindet.

 

Natürlich kommen noch andere Ursachen hinzu. Dass der Klimawandel mit seinen Beitrag dazu leistet ist sicher unstrittig. Auch die Schadstoffbelastung aus dem Straßenverkehr oder die unsägliche Praxis der Straßenbaubehörden auch noch den letzten Grünstreifen neben den Straßen weg zu häckseln sind zusätzliche Sargnägel für Insekten und Vögel.

 

Dennoch darf sich die Landwirtschaft nicht wegducken und mit Verweis auf andere Ursachen ihrer Verantwortung entziehen. Die konventionelle Landwirtschaft hat sich derart abhängig gemacht von Totalherbiziden und Neonicotinoiden, so dass sie sich ein Wirtschaften ohne diese Mittel kaum noch vorstellen kann und  Horrorszenarien von Ernteausfällen und wirtschaftlichen Schäden beim Verzicht auf diese Mittel malt. Dementsprechend groß ist der Widerstand ihrer Lobbyisten gegen Verbote oder gar Anwendungsbeschränkungen.
Die Agrarpolitik folgt leider bisher dieser „Argumentation“.

 

„Die Agrarpolitik muss endlich ihre Verantwortung für den Naturschutz wahrnehmen“, forderte hingegen Bundesumweltmisterin Barbara Hendricks, die sich tapfer und zu Recht immer wieder in landwirtschaftliche Belange eingemischt hat. Doch der bisherige Landwirtschaftsminister Schmidt war auf dem Ohr leider taub. Daher gehören Umwelt- und Landwirtschaft auch unbedingt in einem Ministerium gebündelt, damit solche Hilferufe nicht unerhört verhallen und sich ein/e Minister/in nicht aus der Verantwortung stehlen kann.

 

Bereits 2007 hat die Bundesregierung die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ verabschiedet und damit eine UN-Konvention umgesetzt. Ziel dieser Strategie war, bis 2020 den Rückgang der biologischen Vielfalt zu stoppen. Der 2014 erstellte Zwischenbericht war jedoch ernüchternd. In den Beobachtungsjahren bis 2001-2011 ist der alljährlich ermittelte Indikator 2011 auf den schlechtesten Stand abgesunken! Daher wurde 2015 eine „Naturschutz-Offensive 2020“ beschlossen und die Felder mit dem größten Handlungsbedarf benannt. Der weiter fortschreitende Artenschwund wurde hierbei als größtes Problem erkannt. Mehr als die Hälfte der Fläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Alleine dadurch wird die Bedeutung der Landwirtschaft für den Erhalt der Artenvielfalt deutlich. Ohne die Einbeziehung der Landwirtschaft wird der Artenrückgang daher nicht zu stoppen sein. Die Landwirtschaftspolitik muss sich daher dringend ändern, wenn die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft erhalten werden soll.