Überall nur noch Eier ohne Küken Töten - Ist damit alles gut?

Doch Bruderhahneier sind nicht gleich Bruderhahneier und Eier ohne Küken Töten sind noch mal was ganz anders

Seit dem 1. Januar 2022 ist in Deutschland das Töten männlicher Küken verboten. Gut könnte man/frau meinen. Doch die Dinge sind, wie eigentlich fast immer, komplizierter.

Das Töten der männlichen Küken ist zwar verboten, doch wozu dies im Einzelnen führt und wie das Schicksal der männlichen Küken aussieht, dafür gibt es viele verschiedene und mehr oder weniger schöne Möglichkeiten.

 

Die unschönste, aber leider dennoch Praxis, ist der Transport der Küken ins benachbarte europäische Ausland, wo die Küken dann getötet werden. Denn das Verbot gilt bisher nur in Deutschland. Wie viel % der in Deutschland geborenen Bruderhähne dieses Schicksal erleiden, ist ungewiss. Zahlen findet man dazu nicht. Ein weiterer Trend ist ebenso zu beobachten, nämlich die Verlagerung von Brütereien ins benachbarte europäische Ausland, damit in Deutschland erst gar keine Küken geboren werden. Doch auch wenn die Bruderhähne in Deutschland aufgezogen werden, ist nicht alles gut.

 

Das grundsätzliche Problem ist, dass die Rassen, die speziell zum Eier legen gezüchtet wurden, praktisch kaum Muskelmasse bilden. Nach der Mast der Bruderhähne dieser Rassen haben diese daher wenig Fleisch, was deren Vermarktung extrem erschwert. Wer möchte schon ein teures (weil mit viel Futter lange gemästet) Hähnchen kaufen, das dann auch noch wenig Fleisch hat? Auch der Versuch, das Fleisch dieser Hähne für Verarbeitungsware (Bsp. Frikassee oder Tiernahrung) zu verwenden, scheitert letzten Endes an der fehlenden Rentabilität (viel Arbeit und Kosten bei der Verarbeitung aber wenig im Topf). Bruderhähne sind daher ein Produkt, das zwangsläufig anfällt, für das es aber eigentlich „keinen Markt“ gibt. Ein Vermarktungsweg ist daher, dass die Hähne exportiert werden. Im schlimmsten Fall in Länder des globalen Südens, wo sie als billige Hähnchen auf den Markt kommen und damit die dort ansässige lokale Geflügelproduktion kaputt machen.

 

Der Biobereich hat grundsätzlich das gleiche Problem. Auch hier muss man/frau genauer hinschauen. Strengere Regeln bieten hier die Bio-Verbände. Hier ist es vorgeschrieben, dass die Bruderhähne auch tatsächlich nach Bio-Richtlinien aufgezogen werden müssen, mit entsprechendem Platzangebot und Bio-Futter.  Die EU-Bio-Richtlinien machen hingegen keine Vorgaben zum Verbleib der männlichen Küken.

 

Einen Ausweg aus dem Dilemma bieten sogenannte Zweinutzungsrassen. Das sind Hühnerrassen, die sowohl Eier legen als auch Fleisch ansetzen. Allerdings wurde die Züchtung solcher Zweinutzungsrassen Jahrzehnte vernachlässigt. Daher können diese Rassen derzeit in Sachen Eier nicht mit den speziell gezüchteten Legerassen mithalten und in Sachen Fleischbildung nicht mit den speziell gezüchteten Mastrassen. D.h. sie legen weniger Eier und haben weniger Fleisch, sind also quasi ein Kompromiss. Dieser Kompromiss hat den Preis, dass die Eier teurer sein müssen als die von Legespezialisten und die Hähne wiederum teurer als die von speziellen Mastrassen. Dennoch halten wir langfristig die Zucht von Zweinutzungsrassen für den besten Weg.

Einen weiteren Ausweg bietet die Geschlechterbestimmung im Ei (die sogenannte In-Ovo-Selektion). Dabei werden „männliche Eier“ bis zum 9. Tag erkannt und aussortiert (bei einer Fehlerquote von einigen %).  Dadurch können erst gar keine männlichen Küken schlüpfen. Auch die Eier der weiblichen Küken, deren Brüder vor dem Schlupf aussortiert wurden, werden später als Eier ohne Kükentöten vermarktet. Bei diesem Verfahren werden die Eier mit einem Laser angebohrt, um eine winzige Gewebeprobe zu entnehmen, anhand der das Geschlecht bestimmt wird. Die Kritik an diesem Verfahren ist zum einen grundsätzlicher Natur, dass damit ja nicht das Küken Töten beendet, sondern lediglich ins Ei verlagert wird.  Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ab dem siebten Tag ein Embryo bereits Schmerzempfinden zeigt. Hinzu kommt, dass solche Verfahren nur im industriellen Maßstab umgesetzt werden und dadurch bäuerliche Strukturen weiter zurück gedrängt werden. Das Pro und Contra wird damit zur Systemfrage welche Art von Landwirtschaft wir haben wollen.

Es ist absehbar, dass sich die In-ovo-Selektion in der industriellen konventionellen Geflügelhaltung durchsetzen wird. Auch im Bio-Bereich ist die In-Ovo-Selektion nach EU-Bio-Standard erlaubt. Die Bio-Verbände lehnen diese Verfahren aus ethischen Gründen ab und haben sie in ihren Richtlinien verboten.

Unter Berücksichtigung all dieser Punkte, sehen wir eindeutig die Züchtung von Zweinutzungsrassen als den richtigen Weg. Dieser steht sowohl für die Werte, für der Ökolandbau unserer Meinung nach steht und er stellt sich gegen die Industriealisierung auch in der Biolandwirtschaft.